Mit den US-Wahlen stimmt etwas nicht. Zwar gibt es äußerst geldintensive Wahlkampagnen und einen gigantischen Medienrummel. Aber die Wahlbeteiligung ist gering. Den Finger mitten in die Wunde legte jetzt eine findige Gruppe Internetexperten aus Österreich: Auf der Seite www.vote-auction.com können US-Bürger ihre Stimme auf einer Art Wahlstimmenbörse zum Verkauf an spendable Interessengruppen anbieten.
Das geht so: Die Wähler offerieren ihre Stimmen, aufgeteilt nach Bundesstaaten, bei vote-auction, und die potentiellen Käufer bieten am Wahltag dafür Geldbeträge. Bei erfolgreichem Gebot könnten dann beispielsweise die Lobbyisten von Al Gore 7.000 Wählerstimmen aus Florida für 80.000 Dollar erwerben. Der Gewinn soll gerecht unter den Anbietern aufgeteilt werden.
Allerdings ist die provokante Aktion für eine der Verantwortlichen, Lizvlx, mit bürgerlichem Namen Elisabeth Haas, eher "ein inszeniertes Experiment", mit dem man Kapitalismus und Demokratie enger zusammenführen wolle. Ein Spiel mit virtueller Realität und Käuflichkeit, das man in der Tradition linker Hacker wie des "Chaos Computer Clubs" (CCC) ansiedeln könnte. Aber die Gruppe will auch kritisieren: "das Aufzeigen des indirekten Wählerstimmenkaufs via von Lobbyisten finanzierter Wahlkampagnen", erläutert Lizvlx.
Momentan ist die Website von vote-auction.com jedoch nicht zu erreichen. Denn jemand hat im Root-DNS-Directory, der Zentrale für Web-Adressen, schlicht den Domainnamen gelöscht. Sowohl der Stimmenverkauf als auch die dabei ausgeübte Vermittlerrolle sind nach US-Recht nämlich strafbar. Da hilft es auch nicht, sich auf freie Meinungsäußerung zu berufen oder den Stimmenkauf als "Spende" zu deklarieren, wie es die Österreicher versucht haben. Sie gehen davon aus, dass die gleichen Menschen für das Löschen des Namens verantwortlich sind, die auch mehrere Gerichtsverfahren gegen die Initiatoren der Website angestrengt haben.
Das ganze Unterfangen hat immerhin eine Menge Aufruhr in den US-Medien erregt: Auf CNN diskutierten Rechtsexperten wie der Chefankläger des Staates Kalifornien mit den Internetaktivisten in einer 20-minütigen Sendung mit dem Thema "Bidding for ballots" (Bieten für Stimmzettel).
Aber für Initiatorin Lizvxl ist die Sache trotzdem ein Erfolg: "Auf diese Weise ist auch für andere Medien die Möglichkeit entstanden, über Korruption im US-Wahlsystem zu sprechen", erklärt sie.
Aufgrund der Medienpräsenz sei es schon zu über 50.000 Stimmofferten auf der Website gekommen. Aber die Aufmerksamkeit hat auch zu Hackangriffen geführt, möglicherweise vom FBI, spekuliert Lizvxl, um an die Userdaten zu kommen.
"Wir werden jetzt natürlich alleVorbereitungen treffen, um am Wahltag ganz sicher präsent zu sein.", sagt Lizvlx (http://62.116.31.68). Was an diesem Tag genau passieren wird, ist nicht klar: "Wir planen, fiktive Geldbeträge zu verschieben. Man kann das Auktionsspiel spielen ..."
Welche Folgen das haben wird, ist ungewiss. "Die Offenlegung der US-Korruption, ein Präzedenzfall für das Rechtssystem, aber auch ein künstlerischer Ansatz." Alles ist möglich.
taz Nr. 6288 vom 4.11.2000, Seite 30, 109 TAZ-Bericht JÖRG STREICHERT, in taz-Ffm: S. 18 * in taz-Bremen, -Hamburg: S. 14
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